Die San von Namibia
Der Begriff San bezeichnet eigentlich mehrere Völker. Es ist
ein Überbegriff für verschiedene, miteinander verwandte
Volksgruppen, wie der !Kung und Ju/'hoansi. Woher das Wort
genau kommt ist nicht ganz klar, aber vermutlich stammt es aus
der Sprache der Nama, der größten Untergruppe der Khoikhoi.
Die Khoikhoi, besser bekannt unter dem verächtlichen Terminus
Hottentotten, sind ein sesshaftes Volk und benutzten den
Begriff San, um sich von ihren nomadisierenden Verwandten
abzugrenzen. Der Begriff San ist etwas problematisch, da er
ursprünglich von wohlhabenden Angehörigen des Khoikhoivolkes
abwertend verwendet wurde und soviel wie Fremder, Außenseiter
oder Nichtsnutz bedeutet. Khoikhoi und San unterscheiden sich
eigentlich nur in ihrer Lebensweise und werden teilweise von
Ethnologen als einheitliches Volk betrachtet und unter dem
Namen Khoisan zusammengefasst. Im deutschen Sprachraum hat
sich, abgeleitet von der niederländischen Bezeichnung
Boosmanjes, der Begriff Buschleute eingebürgert. Dieser
Begriff hat sich bis heute gehalten, gilt aber allgemein als
beleidigend. Deshalb wird der Bezeichnung San, auch von
Angehörigen der betroffenen Volksgruppen, der Vorzug gegeben.
San Geschichte
Die San werden von vielen Forschern als das älteste Volk der
Erde angesehen. Diese Theorie stützt sich auf genetische und
linguistische Untersuchungen. Ihre einzigartige Sprache mit
den charakteristischen Klicklauten wird oft als ein Überrest
einer menschlichen Ursprache angesehen. Während die San selbst
der Ansicht sind, dass sie schon immer im Süden Afrikas
lebten, gibt es auch die Vermutung, dass sie ursprünglich aus
Ostafrika einwanderten. Wann genau sie nach Südafrika kamen,
ist nicht gesichert. Manche meinen vor 10000 Jahren, andere
glauben vor 25000 Jahren. Als gesichert gilt, dass die San ab
dem 15. Jahrhundert von den Khoikhoi und von bantusprechenden
Völkern in unwirtliche Gegenden abgedrängt wurden.
Die San Geschichte ist geprägt von Übergriffen anderer Völker
und Nationen. Vom 17. bis ins 19. Jahrhundert gab es unter
der Herrschaft der niederländischen Buren regelmäßige
Vernichtungsversuche in der südafrikanischen Kapregion. Die
Überlebenden flohen entweder in die Kalahari-Wüste oder wurden
auf dem Sklavenmarkt feilgeboten. Noch im 20. Jahrhundert
versuchten deutsche Kolonialherren, die San in Namibia
auszurotten. Dass die südafrikanische Armee in Namibia und die
Portugiesen in Angola tausende San als Fährtensucher gegen die
jeweiligen Unabhängigkeitsbewegungen einsetzten, brachte dem
Volk auch Antipathien anderer afrikanischer Völker ein. In
Angola wurden die San danach fast vollständig vertrieben. Das
an Namibia und Südafrika angrenzende Botswana war das einzige
Land, in dem die San relativ unbehelligt leben konnten. Doch
leider änderte sich das knapp vor der letzten
Jahrtausendwende. Seither kommt es zu
Menschenrechtsverletzungen und Zwangsumsiedlungen, die wohl
nicht zufällig mit der Entdeckung großer Diamantvorkommen in
der Kalahari einhergingen.
Heute leben viele San im sogenannten Buschmannland in Namibia,
ihrer eigenen Kultur weitestgehend beraubt. Das nomadische
Volk wurde zur Sesshaftigkeit gezwungen und viele fristen ein
trostloses Dasein. Arbeitslosigkeit, Alkoholismus und
Orientierungslosigkeit beherrschen den Alltag des einst freien
Volkes. „Platz des Todes“ nennen die San Tsunkwe, die
Hauptstadt von Buschmannland.
San Lebensart
Traditionell sind die San eine Jäger- und
Sammler-Gesellschaft, vergleichbar mit den Pygmäen
Zentralafrikas. Aufgrund der relativ geringen Körpergröße der
San, wurden sie auch oft mit den Pygmäen verwechselt, stehen
zu diesen aber in keiner Beziehung. Ihre Nahrungsbeschaffung
erfolgt hauptsächlich durch das Sammeln von Wurzeln, Nüssen
und Früchten und durch die Jagd. Das Sammeln ist Aufgabe der
Frauen, das Jagen Aufgabe der Männer. Diese Arbeitsteilung
nach Geschlechtern sagt aber nichts über den sozialen Status
der Frauen oder Männer aus. Die San wurden immer wieder,
besonders von marxistisch geprägten Anthropologen, als ein
Paradebeispiel für eine egalitäre Gesellschaft angesehen.
Frauen und Männer sind gleichgestellt und Entscheidungen
werden in der Gruppe getroffen. Dabei beraten sich alle
Mitglieder der Gruppe bis ein für alle stimmiger Konsens
erreicht wird. Kinder haben keinerlei soziale Verpflichtungen.
Sie sollen spielen und einfach nur Kinder sein. Vergnügen ist
überhaupt ein wichtiger Bestandteil der San Lebensart. Auch
Erwachsene verbringen viel Zeit damit, zu singen, zu tanzen
und zu lachen.
Die San praktizieren die älteste Jagdform der Welt, die
sogenannte Ausdauerjagd. Dabei wird das Wild von einem Jäger
so lange verfolgt, bis es vor Erschöpfung zusammenbricht. Die
längste dokumentierte Jagd in dieser Art dauerte vierzig
Stunden. Während dieser Zeit ist der Jäger ununterbrochen
gerannt. Als Waffen verwenden die San Wurfspeere oder Pfeil
und Bogen. Die Pfeile werden dabei mit einem Insektengift
bestrichen. Auch Kinder werden oft schon zur Jagd mitgenommen.
Da Jagden oft mehrere Stunden oder Tage dauern können, kauen
die Jäger währenddessen auf einer speziellen Wurzel, Hoodia
genannt. Diese unterdrückt das Hunger- und Durstgefühl und
erhöht somit die Ausdauer.
San Kultur
Die San haben sich als sehr resistent gegenüber christlichen
Missionierungsversuchen erwiesen. Sie sind zum größten Teil
Anhänger eines animistischen Glaubens. Nach ihrer Auffassung
ist alles mit einem Geist beseelt und die Seelen Verstorbener
bleiben auf der Erde. Ihre Toten begraben sie mit dem Gesicht
nach Osten, denn sonst, so glauben sie, geht die Sonne später
auf. Sonne, Mond und alle Gestirne sind für sie ebenfalls
göttliche Wesen und spielen eine zentrale Rolle in den Mythen
und Riten der San Kultur. Auch Tiere sind in ihren Mythen eng
mit dem Göttlichen verbunden. So betrachten sie beispielsweise
die Gottesanbeterin als göttlichen Boten. Eine Begegnung mit
diesem Insekt gilt als Botschaft, die von Wahrsagern
entschlüsselt werden muss.
Krankheiten sind ihrer Auffassung meist von Geistern geschickt
und werden in langen Heilritualen behandelt. Dabei tanzen
Mitglieder der Gemeinschaft, die den Weg des Heilers oder der
Heilerin eingeschlagen haben, solange bis sie in Trance
fallen. Dabei entwickeln sie eine besondere Energie, in der
Sansprache !kia genannt, die es ihnen ermöglicht, Krankheiten
zu erkennen und zu entfernen. Diese Tänze dauern von
Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Während dieser Zeit tanzen
die Heiler und Heilerinnen ohne Unterbrechung. Danach brauchen
sie oft einen Tag, um sich davon zu erholen. Bei diesen Tänzen
werden jedoch nicht nur physische und psychische Leiden
kuriert, sondern auch soziale Spannungen. Eifersucht, Zorn,
Neid und Ähnliches bedarf nach Ansicht der San ebenfalls der
Heilung. Neben den ekstatischen Trancetänzen kommen auch
Heilpflanzen zum Einsatz. Besonders die Sanfrauen verfügen
über eine umfassende Kenntnis in diesem Bereich. Der Weg des
Heilens steht allen Mitgliedern offen und so ist beinahe jeder
zweite San als Heiler oder Heilerin ausgebildet.
Living Museum
Zur Erhaltung der San Kultur und San Lebensart wurde das
Lebende Museum der Ju/:hoansi gegründet. Dieses befindet sich
in Namibia in der Nähe von Tsunkwe. Dort können Besucher in
die Welt der San eintauchen und auch die San selbst haben die
Möglichkeit, ihre Traditionen vor dem Vergessen zu bewahren.
Die dort lebenden San sind die einzigen in Namibia, denen es
erlaubt ist zu jagen. Initiiert wurde das Living Museum von
Werner Pfeifer und Ghau N!aici. Es wird von den San selbst
verwaltet und es wird großer Wert auf Authentizität gelegt.
Mittlerweile ist es ein touristischer Höhepunkt Namibias.
Besuchern wird die Möglichkeit geboten, die traditionelle Jagd
der San mitzuerleben und Zeugen ihrer Kultur zu werden. Von
den San selbst angefertigtes Kunsthandwerk, ebenfalls
authentische Zeugnisse ihrer Kultur, werden zum Verkauf
angeboten. Der Erlös geht direkt an die San. Dadurch bietet
das Museum den San einen Weg aus der Orientierungslosigkeit
und eine Einnahmequelle. Der Arbeitslosigkeit kann so entgegen
gewirkt werden und viele heranwachsende San, beginnen sich
wieder mit ihrer alten Kultur zu identifizieren.